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Kindheitsträume zur Weihnachtszeit

Kindheitsträume zur Weihnachtszeit

Von draußen vom Walde komm ich her….  von ( Theodor Storm 1817-1888 ) ist das Weihnachtsgedicht, das uns mein Vater immer in der Weihnachtszeit erzählt hat. Er war der beste Märchen- und Geschichtenerzähler den ich kannte. Aber nicht nur mir und meiner Schwester, auch später seinen Enkelkindern hat er vieles erzählt. Wir haben ihm immer gerne zugehört. Egal, ob wir kleine oder erwachsene Kinder waren. Jedes Jahr zur Weihnachtszeit begleitet mich diese Erinnerung. Wer wohl alles dieses Gedicht noch kennt?

Ich sehe bei diesem Gedicht in Gedanken Knecht Ruprecht durch einen tief verschneiten Winterwald stapfen, sehe zahlreiche Lichter auf den Tannenbäumen, er steht kurz vor dem Waldrand, stellt seinen schweren Sack mit Geschenken neben sich ab. Sein Blick fällt auf ein kleines, tief verschneites Dorf. Dorthin soll er die Geschenke bringen, die dann das Christkind verteilen wird. Aus den Schornsteinen steigt heller Rauch kerzengerade in die kalte Winterluft empor. Durch die kleinen Fenster kann man Kerzenlichter flackern sehen. Es dämmert bereits und die Luft ist kalt. Der Atem gefriert auf seinem langen, weißen Bart. Raureif und Schnee drücken die Äste der Bäume nach unten.

Noch vor einigen Stunden, als die Sonne am wolkenlosen Himmel stand, glitzerte die weiße Pracht wie funkelnde Diamanten. Das Licht blendete die Menschen die noch unterwegs waren, um die letzten wichtigen Dinge vor der Hl. Nacht zu erledigen. Doch jetzt ist es überall ruhig. Eine eigenartige Stille ist eingekehrt. Kein Lüftchen regt sich, die Geräusche der Tiere sind nicht mehr zu hören. Es ist, als wären alle Tiere stumm geworden. Ob sie wohl wissen um die Besonderheit dieser Hl. Nacht? Knecht Ruprecht schultert seinen Sack, er darf nicht zu spät kommen. Die Wege sind verschneit.

In der vergangenen Nacht und am Tag fielen zahlreiche Flocken, leicht wie Federn, vom Himmel und bedeckten das ganze Land über und über mit Schnee. Stundenlang fielen sie vom Himmel. Die Kinder liefen nach draußen, lachten und tanzten mit den Schneeflocken um die Wette. Sie kramten ihre Schlitten, Ski und Schneeschuhe hervor und tummelten sich fröhlich in der weißen Pracht. Ein paar eiskalte Nächte wie diese und der kleine Teich am Dorfanger wird zugefroren sein. Dann werden sich die Kinder ihre Pudelmützen über die Ohren ziehen, den Schal um den Hals schlingen und mit den Schlittschuhen über die kleine Eisfläche gleiten. Knecht Ruprecht hat all solche Geschenke in seinem großen Sack, all das was die Kinder im kalten Winter brauchen. Auch Bücher und Spiele, um sich die dunklen Abende kurzweilig zu gestalten. Auch Naschzeug und diverse Spielsachen dürfen nicht fehlen.

Sein Atem geht schwer, als er nun durch den hohen Schnee stapft. Kein Mensch ist zu sehen in dem kleinen Dorf. Nicht einmal die Hunde bellen, denn sie liegen in dieser Nacht geschützt im Stall oder im Haus. Alle sitzen sie in der warmen Stube und warten auf das Christkind. Er würde vor jedem Haus die richtigen Geschenke abstellen. Das Verteilen der Geschenke, die frohe Botschaft: „Uns ist ein Kind geboren, der Erlöser der Welt“, obliegt dem Christkind, das sich nicht sehen lässt und doch da ist. So auf jeden Fall ist meine Kindheitserinnerung. Immer wieder wirft Knecht Ruprecht einen neugierigen Blick durch die manchmal halbhoch gefrorenen Fenster. Die unterschiedlichsten Weihnachtsbäume stehen geschmückt in der guten Stube. Da und dort wird die Weihnachtsgeschichte vorgelesen. Die Kinder sind voll Unruhe, neugierig und gespannt, was es wohl in diesem Jahr an Geschenken geben wird und wann es denn nun endlich soweit ist?

Das Feuer brennt im Ofen, und auf dem Herd steht Gebratenes und Gesottenes. Es duftet so herrlich nach Vanille und Zimt, nach Lebkuchen und Bratäpfeln. Knecht Ruprecht lächelt und nickt bei dem Anblick. Dann wischt er sich kurz über die feuchte Stirn. Trotz Kälte ist ihm warm geworden bei seiner Arbeit. Er ist eben auch nicht mehr der Jüngste. Langsam ist seine Arbeit beendet. Vom Kirchturm her erklingt dumpfer Glockenschlag. Die Hl. Nacht beginnt. Aus den Häusern erklingen zaghaft die ersten Weihnachtslieder. Lieder von Liebe und Dankbarkeit, von Frieden und Freude auf Erden. Er blickt zum Himmel, die Sterne leuchten um die Wette, das Glitzern und Glimmen scheint immer stärker zu werden. Das helle Klingen feiner Glöckchen ist zu hören. Knecht Ruprecht weiß, seine Aufgabe ist beendet. Jetzt ist es das Christkind, das die Geschenke überbringt und die Frohe Botschaft verkündet, die Botschaft vom Frieden auf Erden.

Es dauert nicht lange und man hört das Lachen der Kinder. Man sieht die Freude in ihren Augen, weil die kleinen und auch großen Wünsche erfüllt werden. Und wenn dann zu später Stunde das helle Läuten der Kirchenglocken die Menschen zur Christmette ruft, dann kommt Leben in das kleine Dorf. Türen öffnen sich, warm gekleidete Menschen gehen hinaus in die kalte Winternacht, stapfen durch den Schnee zur Kirche. Sie staunen über den festlichen Weihnachtsschmuck, betrachten entzückt die große Krippe und lauschen den Worten des Dorfpfarrers. Nie ist die Kirche so voll wie in dieser Hl. Nacht. Und wenn von der Empore die brausende Musik der Orgel erklingt, dann ertönen aus zahlreichen Kehlen die altbekannten Weihnachtslieder. Dann stehen sie da die Menschen. Groß und Klein, Alt und Jung. Sie singen gemeinsam das Hohe Lied der Weihnachtsnacht: „Stille Nacht, Heilige Nacht, alles schläft, einsam wacht, nur das traute hochheilige Paar…..“

Die Lieder und das gemeinsame Singen zaubern ein Strahlen und Leuchten auf die Gesichter der Menschen. Friede, Freude und Einigkeit sind zu spüren. Auch dann noch, wenn sie die Kirche verlassen, wenn sie sich gute Wünsche mit auf den Weg geben. Bis man nach und nach nur noch vereinzelt das Blinken der Kerzenlichter in den Laternen schimmern sieht. Das Licht, das ihnen den Weg weist. Den Weg durch die Dunkelheit nach Hause. Und auch da verlöschen so langsam alle Lichter hinter den Fenstern. Kälte und Dunkelheit hält das Land umfangen. In die Herzen der Menschen aber ist Ruhe, Wärme und Frieden eingekehrt. Und wenn in allen Herzen Ruhe, Wärme und Frieden eingekehrt ist, so strahlt dieses so besondere Licht nach außen und verbreitet ein Gefühl der Freude und Zuversicht.

Ach könnte ich doch immer Kind in der Weihnachtszeit sein. Das geht nicht, ich weiß, denn ganz schnell hat mich der Alltag wieder. Und außerdem, so eine Weihnachtszeit gibt es jetzt kaum noch. Doch was mir bleibt, ist die wunderschöne Erinnerung an Weihnachten in meiner Kinderzeit. Ja und die Träume von Knecht Ruprecht und die Erinnerung an meinen Vater mit seinen schönen Geschichten und Gedichten.

Die Weihnachtsbotschaft ist eine Frohe Botschaft, sie bringt Hoffnung, sie ist das Licht in der Dunkelheit, ist Frieden auf Erden und unter allen Menschen. Und das wünsche ich uns allen, auch dann, wenn der Alltag uns wieder eingeholt hat.

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