Die LebensSchmiede und der Funke des Tages
Wahrheit und Lüge
Wahrheit und Lüge liegen so dicht zusammen und sind doch wie Tag und Nacht. Als Märchen und Geschichtenerzählerin kenne ich die alte Legende von Wahrheit und Lüge.
Laut dieser Legende aus dem 19. Jahrhundert treffen sich die Wahrheit und die Lüge eines Tages.
Die Lüge sagt zur Wahrheit: „Heute ist ein wunderbarer Tag“! Die Wahrheit blickt in den Himmel und seufzt, denn der Tag war wirklich schön. Sie verbringen viel Zeit miteinander und kommen schließlich neben einem Brunnen an. Die Lüge erzählt die Wahrheit: „Das Wasser ist sehr schön, lass uns zusammen baden!“
Die Wahrheit, erneut verdächtig, testet das Wasser und entdeckt, dass es wirklich sehr nett ist. Sie ziehen sich aus und beginnen zu baden.
Plötzlich kommt die Lüge aus dem Wasser, zieht die Kleider der Wahrheit an und rennt davon. Die wütende Wahrheit kommt aus dem Brunnen und rennt überall hin, um die Lüge zu finden und ihre Kleidung zurückzubekommen. Die Welt, die die Wahrheit nackt sieht, wendet ihren Blick mit Verachtung und Wut ab.
Die arme Wahrheit kehrt zum Brunnen zurück und verschwindet für immer und versteckt darin ihre Scham.
Seither reist die Lüge um die Welt, verkleidet als die Wahrheit, befriedigt die Bedürfnisse der Gesellschaft, denn die Welt hat auf keinen Fall den Wunsch, der nackten Wahrheit zu begegnen.
Geht es uns nicht auch oft so? Keiner will der Wahrheit ins Gesicht sehen. Warum nicht? Weil man es nicht ertragen kann, dass da etwas ist, das nicht stimmig ist. Ich hatte einmal vor vielen Jahren mit einem guten Freund eine kleine Auseinandersetzung in einer Diskussion. Er ärgerte sich über das, was ich sagte. Meine Antwort darauf war: „Ich sag doch nur die Wahrheit.“ Seine Rückmeldung: „Deine Wahrheit will aber nicht jeder wissen.“ Darauf meine Rückmeldung: „Weil du sie nicht ertragen kannst.“ Wir haben dieses Gespräch dann abgebrochen. Aber ich habe es heute noch gut in Erinnerung. Und auch bei meinen zahlreichen Beratungsgesprächen stelle ich immer wieder fest, dass keiner den nackten Tatsachen, der nackten Wahrheit ins Gesicht sehen will.
Immer wieder kommt ja aber. Das ist keine Antwort, da macht man schon wieder einen Rückzug. Auf der anderen Seite, was ist wahr, was ist Lüge? Manchmal sieht oder erkennt man das in einer Form und meint, das ist wahr. Da handelt es sich meistens um die eigene Meinung. Da ist dann nicht die Wahrheit gemeint, sondern man hält das nur für die Wahrheit. Man meint, dass das so ist oder war. Da kommen dann die Meinungsverschiedenheiten auf. Wahrheit aber ist nicht meinungsabhängig.
Wahrheit, so sagt man, ist die Übereinstimmung zwischen Behauptung und objektivem Sachverhalt. Der Sachverhalt, der Tatbestand muss wirklich wahr sein. Eine Aussage ist wahr, wenn die Behauptung mit der Tatsache übereinstimmt, wenn es so tatsächlich der Fall ist.
Aber selbst, wenn es wirklich wahr ist, wollen das viele nicht sehen, nicht wissen, sich nicht damit auseinandersetzen. Man hat sich ein eigenes Trugbild aufgebaut. Das ist so tief verankert, damit fühlt man sich wohl. Das ist man so gewohnt. Und der Mensch ist bekanntlich ein Gewohnheitstier. Wer will sich schon sein Wohlfühlgefühl zerstören? Fühlt man sich damit aber tatsächlich wohl? Um dieser Wahrheit auf den Grund zu gehen müsste man sich mit sich und den Fakten ernsthaft auseinandersetzen. Das macht man nicht, denn das ist anstrengend, macht Angst. Man bleibt lieber auf seiner Halbwahrheit sitzen und bleibt ewig unzufrieden.
Da lügt man sich lieber selbst etwas vor oder lässt sich belügen. Manchmal kann man das auch mit Schönreden vergleichen. Man redet es sich schön, weil man der Wahrheit nicht ins Auge sehen möchte.
Es wird viel erzählt und gesagt. Ist es Meinung? Ist es Wahrheit? Ist es eine Lüge? Man kann es nicht immer gleich erkennen. Da muss man die Zusammenhänge verstehen, hinterfragen, sich nicht mit Halbheiten zufriedengeben, sondern der Wahrheit auf den Grund gehen. Das kann anstrengend sein. Aber nur so erkennt man, ob etwas wirklich wahr ist.
Und was macht die Lüge, die in den Kleidern der Wahrheit spazieren geht? Sie gaukelt allen etwas vor und kommt damit sehr gut an. Oft könnte man meinen, der Betreffende will es nicht anders. Er will belogen werden, für dumm verkauft werden, denn das hört sich doch alles so gut an. Wunderbar, man muss nichts für sich tun, nicht darüber nachdenken, einfach so weiterleben. Ja, man wird gelebt, man lebt sich nicht selbst. Die eigene Bequemlichkeit ist schließlich unantastbar. Zwischendurch kommt das große Erwachen, dann ist wieder Heulen und Zähne knirschen angesagt. Eigentlich müsste jedem das bewusst sein. Es gibt schließlich die alten Sprichwörter: „Lügen haben kurze Beine“ oder „ist es auch noch so fein gesponnen, es kommt doch an das Licht der Sonnen“.
Mit lügen windet man sich aus einer unangenehmen Situation, zu der man nicht stehen möchte. Oder man will etwas für sich erreichen, profitieren, das auf dem ehrlichen, reellen Weg nicht möglich wäre. Viele lügen aus Angabe, wollen mehr sein als scheinen. Man lügt aber auch aus Angst vor Strafe, vor Verlust, aus Scham, deshalb versteckt sich in der Legende die nackte Wahrheit für immer im Brunnen.
Ja, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen ist nicht einfach. Die Lüge von der Wahrheit unterscheiden ist auch nicht einfach. Was also ist zu tun?
Bleibe nach Möglichkeit selbst bei der Wahrheit, auch wenn es nicht immer so ganz einfach ist bzw. andere die nackte Wahrheit nicht ertragen können. Flüchte Dich gerne mal in eine kleine Notlüge. Hinterfrage wenn Du mit Ebenen konfrontiert wirst, die Dir übertrieben oder nicht so ganz geheuer sind.
Denke daran „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, wenn er auch die Wahrheit spricht.“
TUN ist das Zauberwort. Dein TUN macht aus Dir das, was Du bist.
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